Region Basel / Beiträge 2015
  
 

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Frantisek J. Safarik



Dr. rer. pol.,
dipl. Steuerexperte, zugelassener Revisionsexperte
Partner SwissLegal Dürr + Partner, Basel
Mitglied der Treuhand-Kammer (neu: EXPERTsuisse) und deren Standeskommission
sowie des Sektionsvorstandes
E-Mail: safarik@swisslegal.ch
 

 

 

    

 

Wechsel des Steuerdomizils ins Ausland

 

Steuerstatus: Weltenbummler

 

Die Steuerpflicht in der Schweiz aufzugeben ist nicht ganz einfach, wenn eine Reihe zwingender Voraussetzungen nicht gegeben ist. Dazu gehört die Verschiebung der Lebensinteressen ebenso wie der Wille des dauernden Verbleibens am neuen Ort.



 

 
 

Manche Zeitgenossen empfinden die hiesige Steuerbelastung als exorbitant und träumen von einer radikalen Lösung: Ähnlich wie beim Austritt aus der Kirche oder aus einem Verein sollte es doch möglich sein, sich bei der Einwohnerkontrolle offiziell abzumelden und künftig etwas mehr Zeit als bisher irgendwo im Ausland zu verbringen. Das dürfte der Steuerpflicht ein Ende setzen, dem Portemonnaie helfen und der schweizerische Fiskus braucht nicht zu wissen, ob man sich permanent in einem sonnigen Steuerparadies mit gutem Essen niederlässt oder wie ein Nomade von einer Destination zur nächsten herumreist.

 

Die Kandidaten sollten es sich allerdings besser zweimal überlegen. Den schweizerischen Steuerbehörden, welche im Prinzip die Zahl der Zahlenden maximieren wollen, sind Steuerflüchtlinge ein Dorn im Auge. Der formelle Check-out wird zwar in den Steuerakten der Emigranten registriert. Dem Fiskus geht aber der Atem noch lange nicht aus. Er hat meistens Wege und Mittel, die Bewegungen der Abgemeldeten zu observieren. Und auf der steuerjuristischen Ebene hat er zwei gerichtlich erprobte Zangen, um Möchtegern-Expatriates wieder "heim ins Reich" zu ziehen. Bei der einen geht es um den Mittelpunkt der Lebensinteressen, der auch nach dem Wegzug immer noch in der Schweiz geortet werden kann. Und bei der anderen um die Fiktion des Fortbestehens des schweizerischen Wohnsitzes, bis nachweislich ein echter neuer Wohnsitz anderswo begründet wird.

 

 

Mittepunkt der Lebensinteressen

Die Hypothek der verbleibenden Beziehungen zur Schweiz illustriert das Urteil des Bundesgerichtes vom 7. Mai 2014. Ein von Rückenschmerzen geplagter IV-Rentner aus dem Wallis meldete sich im Herbst 2010 schriftenpolizeilich bei seiner Wohnsitzgemeinde ab und dislozierte nach Thailand. Und zwar – was ihm dummerweise zum Verhängnis werden sollte und im Kontrast zu vielen anderen Europäern im besten Alter - eben nicht mit dem Ziel, dort bei einer Thai-Schönheit anzudocken. Er hatte kurz vorher seine langjährige Lebenspartnerin geheiratet, eine Walliserin. Sie behielt ihren schweizerischen Wohnsitz, um weiterhin ihrer Vollzeit-Erwerbs­tätigkeit nachzugehen. Denn das Geld des Ehemannes hätte für beide nicht gereicht.

 

Die Ehe auf Distanz funktionierte in der Folgezeit so, dass sich der Ehemann zwar mehrheitlich in Thailand aufhielt (7 Monate im Jahr), zu einem grossen Teil aber auf Besuch bei der Ehefrau in der Schweiz (5 Monate im Jahr). Die Ehefrau verbrachte berufsbedingt die meiste Zeit in der Schweiz (10 Monate im Jahr) und – weil ihre Ferienreserven limitiert waren – nur deutlich weniger Zeit auf Besuch beim Ehemann in Thailand (2 Monate im Jahr).

 

Die Walliser Steuerbehörden lehnten es ab, den formell Weggezogenen aus dem Steuerregister zu streichen. Der Fall kam vors Bundesgericht. Der Ehemann machte geltend, dass sein gewöhnlicher Aufenthalt seit dem Wegzug in Thailand – seiner Wunschdestination, wo es dank warmem Klima seinem Rücken besser gehe – zu lokalisieren sei, womit seine schweizerische Steuerpflicht ihr Ende finden müsse.

 

Die Bundesrichter machten sich allerdings auf die Suche nach dem Mittelpunkt seiner Lebensinteressen. Sie malten sich nach allgemeiner Lebenserfahrung aus, dass seine sozialen Kontakte in Thailand schon aus sprachlichen Gründen kaum wirklich robust sein können und übertrumpft werden dürften durch die Intensität seiner Beziehungen zur Schweiz. Einerseits zu seinem grossen Verwandten- und Bekanntenkreis im Wallis, primär aber zu seiner Ehefrau. Denn eheliche Beziehungen sind bei der Ortung des Lebensmittelpunktes immer wieder von zentraler Bedeutung und stark zu gewichten, speziell im Fall von Frischvermählten. Bei Hervorhebung der gemeinsam mit der Ehefrau verbrachten Zeit (5 Monate in der Schweiz versus 2 Monate in Thailand) siegte die Schweiz relativ deutlich mit mindestens 5:2 und der Ehemann wurde zur Zahlung der schweizerischen Steuern verurteilt.

 

 

Fiktiver Wohnsitz

Doch selbst der nahezu vollständige Abbruch aller Brücken zur Schweiz ist noch keine Garantie für ein Ende der schweizerischen Steuerpflicht. Das Zivilgesetzbuch bestimmt in Art. 24/1, dass der einmal begründete Wohnsitz einer Person bis zum Erwerb eines neuen Wohnsitzes bestehen bleibt ("fiktiver Wohnsitz"). Diese Bestimmung wirkt sich auch auf das Steuerrecht aus.

 

Das erlebte ein lediger Zürcher mit Affinität zum Militär, der sich Mitte 2006 für ein Engagement in den Friedenstruppen der Schweizer Armee entschied. Es kam zur Anstellung durch das Kompetenzzentrum SWISSINT (Swiss Armed Forces International Command) und auf den Single wartete eine ununterbrochene Serie von Missionen in allen möglichen Krisenzonen dieser Welt. Er war mehrere Jahre lang fast hundertprozentig landesabwesend. In der Schweiz hielt er sich während dieser Zeit im Schnitt nur zehn Tage pro Jahr auf, um kurz seinen Vater zu besuchen, bei Bundesbehörden zu rapportieren oder zur Einsatzvorbereitung.

 

Die Zürcher Steuerbehörden beriefen sich auf Fortbestand des schweizerischen Steuerwohnsitzes und das Verwaltungsgericht entschied zu ihren Gunsten (Urteil vom 20. August 2014). Es wurde zwar anerkannt, dass der Friedenskämpfer seine Verbindungen zur Schweiz auf ein Minimum schrumpfen liess. Und sich andererseits um Integration in das Leben seines jeweiligen Gastlandes bemühte, indem er nie in einer Kaserne sondern immer in eigenen Mietwohnungen lebte, lokale Restaurants, Fitnessclubs und Strände frequentierte, die Landessprachen zu lernen versuchte und Kontakte zu Einheimischen pflegte. Den Ausschlag gab freilich das Argument, dass die gemäss Zivilgesetzbuch für die Begründung eines neuen Wohnsitzes erforderliche "Absicht dauernden Verbleibens" kaum gegeben sein kann bei Aufenthalten mit politisch-militäri­schem Hintergrund, bei denen der Aufenthaltsort und die Aufenthaltsdauer dem freien Entscheid des Betroffenen entzogen sind. Weil sie in erster Linie durch den Arbeitgeber (Führungsstab der Schweizer Armee) beziehungsweise durch geopolitische Notwendigkeiten bestimmt werden.

 

Steuerlich zurückgeholt wurde auch ein Münchensteiner, der sich Anfang 2005 beim kommunalen Einwohnerdienst abgemeldet und als neue Adresse tollkühn "Weltenbummler" angegeben hatte. Er verliess dann die Schweiz mit Sack und Pack um jahrelang auf seinem ozeantüchtigen Segelschiff im Zickzack auf den Weltmeeren herumzukurven. Dies ohne Absicht, seinen Lebensstil in absehbarer Zukunft aufzugeben und in die Schweiz zurückzukehren. Seine Ehefrau blieb in Münchenstein. Sie besuchte ihn gelegentlich auf dem Schiff oder traf ihn in einem Hafen.

 

Das Bundesgericht nahm dem modernen Käpt'n Nemo Wind aus dem Spinnaker und entschied im Urteil vom 4. Mai 2012, dass er trotz Landesabwesenheit in Münchenstein ansässig und steuerpflichtig bleibt. "Auf hoher See" oder generell "auf Reisen" fehlt das Element des längeren Verweilens auf einem festen Punkt der Erde, das für die Begründung eines neuen Wohnsitzes unverzichtbar ist. Zumindest vor dem Fiskus musste der sturmerprobte Dauerreisende damit die Segel streichen.