Region Basel / Beiträge 2013
  
 

                                           Home  |  Archiv | Treuhand-Kammer



 

Vivian Treu



Dipl. Steuerexpertin
Senior Manager Steuer- und Rechtsberatung
PricewaterhouseCoopers AG, Basel
Mitglied der Treuhand-Kammer
vivian.treu@ch.pwc.com
 

 

 

    

 

Schreckgespenst Kapitaleinlageprinzip

Erfahrungsbericht aus der Praxis

Die grossen Einnahmenverluste, welche mit der Einführung des Kapitaleinlageprinzips befürchtet wurden, sind nicht eingetreten. Damit sind aber nicht alle Probleme beseitigt. Bei der konkreten Anwendung bestehen nämlich diverse Tücken und Fallstricke, die tunlichst zu beachten sind. 

Die Einführung des Kapitaleinlageprinzips per 1.1.2011 hat hohe Wellen geworfen. Der Bundesrat wurde kritisiert, die in der Bundesverfassung verankerte Abstimmungsfreiheit durch seine lücken- und mangelhafte Information über erwartete Steuerausfälle verletzt zu haben. Zwei Jahre nach Einführung des Kapitaleinlageprinzips zeigt sich nun aber, dass die erwarteten Mindereinnahmen nicht in der befürchteten Grössenordnung eingetreten sind. Vielmehr könnten die durch das Kapitaleinlageprinzip bewirkten Mehreinnahmen (aufgrund des Zuzugs ausländischer Gesellschaften in die Schweiz) die Mindereinnahmen sogar kompensiert haben. Zeit also, sich mit dem Kapitaleinlageprinzip zu arrangieren und den Fokus auf dessen korrekte Anwendung in der Praxis zu richten.

Kapitaleinlageprinzip – die Grundsätze

Das Kapitaleinlageprinzip führt dazu, dass Zuschüsse von Gesellschaftern in eine Aktiengesellschaft, GmbH oder Genossenschaft ohne Abzug der Verrechnungssteuer zurückbezahlt werden können. Rückzahlungen von Kapitaleinlagen unterliegen ausserdem nicht der Besteuerung beim Gesellschafter, soweit es sich bei diesem um eine natürliche Person mit Wohnsitz in der Schweiz handelt, welche die Gesellschaftsanteile im Privatvermögen hält.

Viele Gesellschaften, insbesondere auch börsenkotierte Schweizer Konzerne, haben seit dem 1. Januar 2011 vom Kapitaleinlageprinzip Gebrauch gemacht und haben an Stelle von ordentlichen Dividenden (welche der Verrechnungssteuer unterliegen und vom Aktionär in der privaten Steuererklärung als steuerbarer Wertschriftenertrag deklariert werden müssen) eine Rückzahlung von Kapitaleinlagen vorgenommen – zur Freude ihrer Aktionäre.

Anwendung des Kapitaleinlageprinzips – ein Kinderspiel?

Damit ein Zuschuss eines Gesellschafters als Kapitaleinlage im steuerlichen Sinn gilt, müssen verschiedene formale Voraussetzungen erfüllt sein. Neben der korrekten Deklaration der Kapitaleinlagen auf dem entsprechenden amtlichen Formular und der Einhaltung der vorgegebenen Deklarationsfristen ist insbesondere die Verbuchung der Kapitaleinlagen korrekt vorzunehmen.

Das Gesetz sieht vor, dass Kapitaleinlagen auf einem gesonderten Konto im Eigenkapital (Konto „Kapitaleinlagereserve“) verbucht und ausgewiesen werden. Das Konto „Kapitaleinlagereserve“ gehört zu den sogenannten gesetzlichen Reserven und unterliegt spezifischen zivilrechtlichen Bestimmungen, etwa was die Rückzahlung anbelangt.

Die korrekte Verbuchung und die zivilrechtlichen Rückzahlungsbeschränkungen haben sich in der Praxis teilweise als tückisch herausgestellt. Dies soll anhand zweier Beispiele illustriert werden:

Beispiel 1

Die Alpha AG ist sanierungsbedürftig. Der Aktionär leistet einen Zuschuss in Höhe von 20 Mio. Franken, den die Alpha AG erfolgswirksam verbucht. Dadurch kann sie im betreffenden Geschäftsjahr einen Gewinn ausweisen. Die Alpha AG ist der Ansicht, dass die 20 Mio. Franken als Kapitaleinlage im steuerlichen Sinne gelten (Zuschuss vom Aktionär) und deklariert den Betrag auf entsprechendem Formular.

Die Eidgenössische Steuerverwaltung anerkennt die 20 Mio. Franken nicht als Kapitaleinlage. Begründung: Der Zuschuss wurde nicht direkt ins Eigenkapital (d.h. in die Kapitaleinlagereserve) verbucht. Bei einer Verbuchung des Zuschusses über die Erfolgsrechnung liegt keine Kapitaleinlage im steuerlichen Sinne vor.

Das Unschöne an diesem Fall: Die 20 Mio. Franken unterliegen gleichzeitig der Emissionsabgabe von 1 Prozent. Aus Sicht der Emissionsabgabe spielt die Verbuchung (direkt ins Eigenkapital oder über die Erfolgsrechnung) keine Rolle.

Beispiel 2

Die Beta AG hat ein Aktienkapital von 80 Mio. Franken und Reserven (Gewinnvortrag) von 1 Mio. Franken. Der Aktionär der Beta AG leistet einen Zuschuss von 30 Mio. Franken. Der Zuschuss wird korrekt in die Kapitaleinlagereserve verbucht und gegenüber der Eidgenössischen Steuerverwaltung deklariert.

Im folgenden Jahr benötigt der Aktionär Geld und möchte sich einen Teil der Kapitaleinlagereserve von der Beta AG zurückzahlen lassen. Das Aktienrecht macht ihm einen Strich durch die Rechnung: Gemäss einer Bestimmung im Obligationenrecht darf nur jener Teil der gesetzlichen Reserve (wozu die Kapitaleinlagereserve gehört) an den Aktionär ausgeschüttet werden, welcher 50 Prozent des Aktienkapitals übersteigt (sog. Ausschüttungssperre). Obwohl die Kapitaleinlagereserve also aus steuerlicher Sicht steuerfrei ausgeschüttet werden könnte, ist die Ausschüttung aus zivilrechtlicher Sicht nicht erlaubt, da die gesetzliche Reserve (30 Mio. Franken) weniger als 50% des Aktienkapitals (50 Prozent von 80 Mio. Franken = 40 Mio. Franken) ausmacht. Der Aktionär muss sich das Geld auf alternativem Weg beschaffen.

Was lernen wir daraus?

Die beiden Beispiele machen deutlich, dass bei der Anwendung des Kapitaleinlageprinzips Vorsicht geboten ist. Die Tücken liegen im Detail und sollten jeweils vorgängig im Detail geprüft werden.

 

 

.