Region Basel / Beiträge 2012
  
 

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Rolf Ramseier



Dipl. Wirtschaftsprüfer
Zugelassener Revisionsexperte
Ramseier Treuhand AG
Mitglied der Treuhand-Kammer
 r.ramseier@rta.ch

 

 

 

    

 

Das neue Rechnungslegungsrecht und der Wunsch nach Transparenz

Der diskrete Charme stiller  Reserven

Die ursprünglichen Ideen zum Neuen Rechnungslegungsrecht zielten auf die „gläserne Bilanz“, die tatsächliche Darstellung der Vermögens-, Finanzierungs- und Ertragslage des Unternehmens. Im Laufe des Gesetzgebungsprozesses hat sich das Glas aber eingetrübt, und man könnte meinen, dass bei der Bewertung alles beim Alten geblieben sei.

Die Bewertungsprinzipien sind nun weitgehend vom bisherigen Aktienrecht übernommen worden. Teilweise sind sie anders formuliert oder hergeleitet. Über die Tragweite der wenigen Neuerungen (insbesondere  Grundsatz der Einzelbewertung sowie Bewertung von Aktiven „mit beobachtbaren Marktpreisen“) ist sich die Fachwelt noch nicht einig.

Stille Reserven sind weiterhin zulässig. Ihre Bildung wird durch die neuen Bestimmungen sogar gefördert: Zu Wiederbeschaffungszwecken sowie „zur Sicherung des dauernden Gedeihens des Unternehmens“ dürfen zusätzliche Abschreibungen und Wertberichtigungen vorgenommen werden. Auch kann davon abgesehen werden, nicht mehr begründete Abschreibungen und Wertberichtigungen aufzulösen (Art. 960a Abs. 4 OR).

Stille Reserven dürfen aber nur im Rahmen der im Gesetz vorgesehenen Bewertungswahlrechte gebildet werden, keinesfalls durch völliges Weglassen von Aktiven oder durch Verbuchung fiktiver Passiven.
 

Beispiel Rückstellungen

Je nach Interessenlage ist die Bildung von Rückstellungen ein „Müssen“ oder aber ein „Dürfen“:

Rückstellungen müssen gebildet werden, wenn aufgrund vergangener Ereignisse ein Mittelabfluss droht, dessen Zeitpunkt und/oder Höhe noch nicht genau bekannt sind.

Zusätzlich dürfen aber Rückstellungen gebildet werden für:

-       regelmässige Aufwendungen aus Garantieverpflichtungen;

-       Sanierungen von Sachanlagen;

-       Restrukturierungen;

-       die Sicherung des dauernden Gedeihens eines Unternehmens.

Insbesondere dieser letzte Punkt ist ein offensichtlicher Freipass für Gewinnverschleierung, falls andere Massnahmen nicht zum Ziel führen. Hinzu kommt, dass wie bis anhin nicht mehr benötigte Rückstellungen nicht zwingend aufgelöst werden müssen. Sie könnten also bis in alle Ewigkeit in der Bilanz stehen bleiben.

 

Viel Vorsicht, etwas mehr Transparenz

Die stillen Reserven dürfen weiterhin „still“ gebildet werden. Allerdings dürfte eine erhöhte Transparenz geübte Leser auf ihre Spur bringen: Neu müssen die Bewertungsgrundsätze sowie Details einzelner Positionen von Bilanz und Erfolgsrechnung im Anhang der Jahresrechnung offen gelegt werden. Wie bereits im bisherigen Aktienrecht muss auch eine Nettoauflösung stiller Reserven im Anhang betragsmässig gezeigt werden. Einzelunternehmen und Personengesellschaften können aber auf einen Anhang verzichten und müssen deshalb auch die Reserveauflösung nicht zeigen.
 

Was meint der Fiskus dazu?

Nach dem sogenannten Massgeblichkeitsprinzip stellt der handelsrechtliche Abschluss die Basis dar für die steuerliche Gewinnermittlung: Nur was verbucht wird, kann steuerlich auch geltend gemacht werden. Wie es schon bekannte Praxis ist, werden die Steuerbehörden die Bewertungsfreiheiten einzuschränken wissen: Sowohl übersetzte Abschreibungen und Wertberichtigungen als auch übermässige Rückstellungen werden nach den steuerlichen Normen überprüft werden. So werden etwa die Rückstellungen für das dauerhafte Gedeihen des Unternehmens dieser Beurteilung kaum  standhalten. Da hier definitionsgemäss kein konkretes, aus der Vergangenheit verursachtes Risiko dahinter stehen dürfte, wird eine solche Rückstellung handelsrechtlich als stille Reserve zu betrachten sein und steuerlich aufgerechnet werden. Auch kann der Fiskus wirtschaftlich nicht mehr gerechtfertigte Rückstellungen und Wertberichtigungen in dem Zeitpunkt aufrechnen, wo der Grund dazu entfällt. Die bisher bekannten Pauschallösungen wie etwa Warendrittel und pauschales Delkredere  bleiben aber zulässig.
 

Was gibt es zu beachten?

Für Unternehmen, die bereits jetzt nach den aktienrechtlichen Vorschriften bilanzieren, wird die Bewertung auch in Zukunft weitgehend in gewohnten Bahnen erfolgen können. Zu überprüfen sind aber Anpassungen etwa im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Einzelbewertung und der  Bewertung zu beobachtbaren Marktwerten. Vor allem die übrigen Rechtsformen, die neu dem Rechnungslegungsgesetz unterstellt werden, sollten sich aber rechtzeitig damit auseinandersetzen und die Umstellung planen. Stille Reserven müssen aber mit der Einführung der neuen Bestimmungen nicht aufgelöst werden und dürften auch in Zukunft in vielen schweizerischen Bilanzen schlummern.