Region Basel / Beiträge 2012
  
 

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Frantisek J. Safarik



Dr. rer. pol.,
dipl. Steuerexperte, zugelassener Revisionsexperte
Partner SwissLegal Dürr + Partner, Basel
Mitglied der Treuhand-Kammer und deren Standeskommission
sowie des Sektionsvorstandes
E-Mail:
safarik@swisslegal.ch

 

 

 

    

  Die Erbschaftssteuer-Initiative

Fiskalisches Eigentor

"Gute Steuern sind solche, die du zahlst und ich nicht". Eine solche Einstellung kann in einer Demokratie der Kurzsichtigen zu Beulen im Steuersystem führen, welche für alle nur Nachteile bringen. Ein aktuelles Beispiel ist die Volksinitiative "Millionen-Erbschaften besteuern für unsere AHV", für welche gegenwärtig die erforderlichen 100'000 Unterschriften gesammelt werden.

 

 
 

Die Initianten wollen die Steuerschraube scharf anziehen. Ihre Stossrichtung ist: Wenn grössere Vermögen – mehr als zwei Millionen Franken – verschenkt oder vererbt werden, dann sollen in Zukunft 20 Prozent an den Staat fliessen. Und zwar unabhängig davon, ob die Beschenkten oder Erben die eigenen Kinder, andere Verwandte oder Nichtverwandte sind. Nach wie vor steuerfrei bleiben lediglich Vermögensverschiebungen zwischen Ehegatten. Die neue Steuer wird auf der Ebene Bund erhoben. Sie ersetzt alle bisherigen kantonalen Erbschafts- und Schenkungssteuern. Ein Drittel des Ertrags fliesst an die Kantone. Zwei Drittel werden als Quersubvention zur Sanierung der AHV eingesetzt.

Gegen den Strich

Statistiken belegen, dass die allermeisten Schenkungen und Erbschaften (volumenmässig 80 bis 90 Prozent) innerhalb der engsten Familie bleiben. Was die eine Generation an Vermögen anhäuft und nicht Zeit ihres Lebens selbst verbraucht, will sie zur Hauptsache den nächsten Generationen überlassen. Geschwister, entfernt Verwandte, Nichtverwandte oder gemeinnützige Institutionen sind als Destinatäre rar. Hauptbetroffene der neuen Steuer wären also die Kinder (und Kindeskinder).

Die Erbschafts- und Schenkungssteuern sind in der Schweiz seit jeher eine kantonale Domäne. In den meisten Kantonen erfassten sie früher auch die Nachkommen, wenn auch zu moderaten Steuersätzen von selten mehr als 2 bis 5 Prozent. Die Besteuerung der Nachkommen wurde freilich – aus guten Gründen – in den letzten Jahren fast überall abgeschafft; im Kanton Baselland ab 2001 und im Kanton Basel-Stadt ab 2003. Im Moment gibt es Erbschafts- und Schenkungssteuern für Nachkommen nur noch in Appenzell-Innerrhoden, Neuenburg und Waadt, wo allerdings auch schon an Plänen zur Streichung gearbeitet wird.

Bei der Initiative geht es also um einen Einbruch in die kantonale Steuerhoheit und die Wiedereinführung von Steuern, welche erst vor kurzem ausrangiert wurden, damit das schweizerische Steuersystem familienfreundlich ist, ohne verpönte Substanzsteuern auskommt und sich im grenzüberschreitenden Wettbewerb der Steuerstandorte behaupten kann. Global ist ein Trend zur völligen Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuern zu beobachten. Jüngste europäische Beispiele sind Schweden und Österreich.

Fremdkörper im Steuersystem

Die Initianten wollen der neuen Steuer die problematische Form einer Nachlasssteuer geben. Steuerpflichtig soll – entgegen aller bisherigen Praxis – nicht der einzelne Beschenkte oder Erbe sein, sondern der Schenker oder Erblasser (formell: sein Nachlass). Es soll also keine Rolle spielen, ob das elterliche Vermögen einem Einzelkind zufällt oder unter einer Vielzahl von Geschwistern verteilt werden muss. Ausserdem bleibt bei einer Konstruktion dieses Typs der Verwandschaftsgrad völlig unberücksichtigt. Bis jetzt machten alle kantonalen Steuerordnungen beim Tarif einen gewaltigen Unterschied, ob die Destinatäre eigene Kinder oder beispielsweise Neffen zweiten Grades sind.

Absonderlich ist auch die Fokussierung auf Personen, deren Vermögen die kritische Grenze von zwei Millionen Franken übersteigt. Das sind in der Schweiz vielleicht zwei oder drei Prozent der Bevölkerung. Mit dem Grundsatz der Allgemeinheit der Besteuerung lässt sich so etwas kaum vereinbaren. Die neue Steuer präsentiert sich in diesem Punkt – ein Beitrag zur Neidkultur – als eine fragwürdige Reichensteuer.

Horrende 20 Prozent, perfide Rückwirkung

Die laut Initiative in der Bundesverfassung festzuschreibenden 20 Prozent als Einheitssatz wären eine auch im internationalen Vergleich beunruhigend hohe Belastung. Die wenigsten der von der neuen Steuer latent Betroffenen sind wohlhabende Faulenzer, welche nicht wissen, wohin mit dem ganzen Geld. Insbesondere dort, wo das Familienvermögen in Unternehmen, Immobilien, Kunstwerken usw. investiert ist, dürfte es äusserst schwierig sein, bei jedem Generationenwechsel einen Aderlass von 20 Prozent der Substanz zu verkraften. Die Initiative sieht zwar vor, dass für Unternehmen und Landwirtschaftsbetriebe unter besonderen Voraussetzungen gewisse Erleichterungen gelten sollen. Es ist allerdings zu bezweifeln, ob sie wirklich zur Entspannung der Lage beitragen werden.

Wie gross die Angst vor den drohenden 20 Prozent ist, zeigt ein weiteres Element der im September 2011 lancierten Initiative, nämlich deren Rückwirkungsklausel. Obwohl die neue Steuer – falls sie sich überhaupt durchsetzt – frühestens ab 2015 oder 2016 erhoben werden kann, soll sie retroaktiv alle Schenkungen (nicht jedoch Erbschaften) ab 2012 erfassen. Eine derartige Rückwirkung verstösst gegen elementare Grundregeln eines Rechtsstaates. Weil aber die Initiative einen neuen Paragraphen in der Bundesverfassung anpeilt und es in der Schweiz keine Verfassungsgerichtsbarkeit gibt, lässt sich die Rückwirkung schwer vor Gericht anfechten.

Jedenfalls kam es im Herbst 2011 – die blosse Ankündigung der Initiative hatte schon gereicht – bei schweizerischen Notariaten und Grundbuchämtern zu einem Tsunami an Schenkungen. Wer konnte, überschrieb vor Jahresende sein Hab und Gut auf die Kinder, solange es noch mit Garantie steuerfrei war.

Milliarden gewonnen oder zerronnen?

Die Initianten meinen, dass ihr Vorstoss dem Staat zusätzliche Einnahmen von 3 Milliarden Franken pro Jahr bringt. Das könnte sich freilich als Fata Morgana erweisen. Denn die statische Berechnung beruht auf der Annahme, dass die betroffenen Steuersubjekte auf die massive Anhebung der Steuerpreise nicht reagieren und sich brav zur Kasse bitten lassen werden.

Die Schenkungswelle vom Herbst 2011 und Proteste in den Medien lassen vermuten, dass die allgemeine Akzeptanz der propagierten neuen Steuer ausgesprochen gering ist. Ihre Einführung würde ziemlich sicher zur Folge haben, dass vermögenden Ausländern ein Grossteil der Lust auf Zuzug in die Schweiz vergeht. Ausserdem ist zu erwarten, dass etliche gute Steuerzahler aus dem Inland die Koffer packen und wegziehen würden, um ihre vermögensmässige Nachfolge jenseits der Landesgrenze zu regeln, von einem der ausländischen Standorte mit günstigeren Steuerbedingungen aus.

Da die Erbschaftssteuer naturgemäss nur einmal im Leben eines Steuerbürgers anfällt, die laufenden Einkommens- und Vermögenssteuern aber jedes Jahr, könnte die zu befürchtende Erosion des Steuersubstrats mit sich bringen, dass sich die Steuereinnahmen per Saldo nicht erhöhen, sondern vermindern. Die Erbschaftssteuer-Initiative würde dann niemandem dienen und nur das Steuerklima unnötig vergiften.