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Etwas weniger Formalismus bei der
Mehrwertsteuer
Der
Formalismus, der bei der Mehrwertsteuer betrieben wurde, hat die
Steuerpflichtigen seit jeher genervt. Mit der Revision des Gesetzes auf
den 1. Januar dieses Jahres soll es besser werden. Zudem wurde die
Möglichkeit der Vorsteuerabzüge erweitert. Es besteht Grund zu Hoffnung.
"Bitte lieber Gott, lass dieses Jahr keine Mehrwertsteuerrevision auf
mich zukommen…", ist dieses Stossgebet bald unnötig? Mit dem neuen
Mehrwertsteuergesetz (nMWStG) wurde der Vorsteuerabzug völlig neu
ausgestaltet. Einzige Voraussetzung zur Abzugsberechtigung ist jetzt
noch die Verwendung der Lieferung oder Leistung für eine
steuerpflichtige unternehmerische Tätigkeit sowie die Zahlung der
Vorsteuer. Das heisst natürlich nicht, dass Sie gänzlich auf Belege
verzichten können, sondern nur, dass Ihr Vorsteuerabzugsrecht nicht mehr
einzig und allein von einer formell korrekt ausgestellten Rechnung
abhängt.
Ein
Blick zurück
Schauen wir ein wenig zurück in unsere bewegte Mehrwertsteuergeschichte.
1995 wurde diese mit einer Verordnung eingeführt und per 1.1.2001 im
Mehrwertsteuergesetz (MWSTG) verankert. Wir alle erinnern uns noch an
erste Revisionen mit horrenden Aufrechnungen, dies vor allem aufgrund
formaler Mängel der Belege. Vorsteuern wurden wegen unkorrekten Adressen
und anderen kleinen "Versehen" aufgerechnet, oder der Abzug bei gewissen
Auslagen ganz einfach verweigert. Die komplizierte Geschichte mit den
wiederkehrenden Zahlungen (diesem relativ einfachen Vorgang musste ein
eigenes Merkblatt gewidmet werden) haben wir noch bestens in Erinnerung.
Diese
sehr formalistische Praxis der Eidg. Steuerverwaltung wurde leider auch
von unseren Bundesrichtern geschützt. Aber der Widerstand der Wirtschaft
hat sich gelohnt. Der bundesrätliche Bericht "10 Jahre Mehrwertsteuer"
führte bereits per 1. Januar 2005 zu einigen Änderungen und die
Formvorschriften wurden etwas gelockert. Mit der neuen
Mehrwertsteuerverordnung per 1. Juli 2006 ging der Bundesrat noch einen
Schritt weiter; der so genannte Pragmatismusartikel fordert die Eidg.
Steuerverwaltung explizit auf, keine Steuernachforderungen allein
aufgrund von Formmängeln zu erheben.
Aber
was bringt die Einführung des neuen Mehrwertsteuergesetzes per 1. Januar
2010 nun wirklich? Grundsätzlich brauchen Sie für den Vorsteuerabzug
immer noch einen Beleg, der den Formvorschriften nach Artikel 26 nMWSTG
(bisher Art. 37 MWSTG) entspricht. Können Sie ausnahmsweise keine
Rechnung vorweisen, werden aber neu auch andere Beweismittel zugelassen,
im Extremfall auch Zeugen, Augenschein etc. Die Beweislast über die
Zahlung der Vorsteuer liegt beim Steuerpflichtigen. In der Praxis wird
das Vorweisen einer formell korrekten Rechnung immer noch das einfachste
Mittel sein, um einen Vorsteuerabzug zu rechtfertigen.
Neu
zulässige Vorsteuerabzüge
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Nicht nur die formellen Anforderungen an die Belege werden mit dem
neuen Mehrwertsteuergesetz gelockert; neu sind auch bestimmte
Vorsteuerabzüge möglich, die den Steuerpflichtigen bisher verweigert
wurden.
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Die 50%-Kürzung des Vorsteuerabzuges auf Verpflegung und Getränken
entfällt. Die Eidg. Steuerverwaltung scheint sich langsam der
Ansicht anschliessen zu können, dass ein Aufwand entweder im Rahmen
der unternehmerischen Tätigkeit entsteht und damit zum
Vorsteuerabzug berechtigt oder eben nicht.
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Auch auf Geschäftsfahrzeugen der Luxusklasse (mehr als 100'000
FrankenAnschaffungspreis) kann die gesamte Vorsteuer geltend
gemacht werden. Das wird die Ferrarifahrer unter unseren
Lesern freuen. Allerdings ist der abzurechnende reduzierte
Privatanteil (0,4% pro Monat) auf Fahrzeuge, für die bei der
Anschaffung nicht die volle Vorsteuer geltend gemacht werden konnte,
nicht mehr vorgesehen.
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Holdinggesellschaften mit qualifizierten Beteiligungen (mehr als
10%) können neu Vorsteuern geltend machen. Für eine
eventuelle Vorsteuerkürzung wird dabei auf die steuerbare Tätigkeit
der Gesellschaft, deren Beteiligung gehalten wird, abgestellt.
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Die Margenbesteuerung wird durch den fiktiven Vorsteuerabzug ersetzt.
Dieser fiktive Vorsteuerabzug kann geltend gemacht
werden, wenn der Steuerpflichtige einen gebrauchten,
individualisierbaren, beweglichen Gegenstand (z.B. Gebrauchtwagen)
ohne Mehrwertsteuerbelastung für den Weiterverkauf bezieht. Der
Weiterverkauf ist natürlich steuerpflichtig. Ausserdem muss der
fiktive Vorsteuerabzug rückgängig gemacht werden, falls der
Gegenstand ins Ausland verkauft wird.
Materielle Prüfung für den Partner
Das neue Mehrwertsteuergesetz ist ein
Schritt in die richtige Richtung. Die Eidg. Steuerverwaltung will sich
bei Revisionen mehr auf die materielle Prüfung konzentrieren anstatt
Formalismus zu pflegen und bezeichnet die Steuerpflichtigen im neuen
Sprachgebrauch als „gleichberechtigte Partner“. Ist doch schön, wenn wir
unserem Mehrwertsteuerinspektor einen Kaffee anbieten können, ohne
gleich Aufrechnungen (50%-Regel, wo steht der Kaffeeautomat,
Sitzgelegenheit etc.) befürchten zu müssen.
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