Region Basel / Themen 2010 / Mehrwertsteuer
  
 

                                           Home  |  Archiv | Treuhand-Kammer



 

Yvonne Barcellona



Mehrwertsteuer-Expertin FH
Partnerin Alltax AG, Basel
yvonne.barcellona@alltax.ch

 

 

    

 

Etwas weniger Formalismus bei der Mehrwertsteuer
 

Der Formalismus, der bei der Mehrwertsteuer betrieben wurde, hat die Steuerpflichtigen seit jeher genervt. Mit der Revision des Gesetzes auf den 1. Januar dieses Jahres soll es besser werden.  Zudem wurde die Möglichkeit der Vorsteuerabzüge erweitert. Es besteht Grund zu Hoffnung.
 

"Bitte lieber Gott, lass dieses Jahr keine Mehrwertsteuerrevision auf mich zukommen…", ist dieses Stossgebet bald unnötig? Mit dem neuen Mehrwertsteuergesetz (nMWStG) wurde der Vorsteuerabzug völlig neu ausgestaltet. Einzige Voraussetzung  zur Abzugsberechtigung ist jetzt noch die Verwendung der Lieferung oder Leistung für eine steuerpflichtige unternehmerische Tätigkeit sowie die Zahlung der Vorsteuer. Das heisst natürlich nicht, dass Sie gänzlich auf Belege verzichten können, sondern nur, dass Ihr Vorsteuerabzugsrecht nicht mehr einzig und allein von einer formell korrekt ausgestellten Rechnung abhängt.

Ein Blick zurück

Schauen wir ein wenig zurück in unsere bewegte Mehrwertsteuergeschichte. 1995 wurde diese mit einer Verordnung eingeführt und per 1.1.2001 im Mehrwertsteuergesetz (MWSTG) verankert. Wir alle erinnern uns noch an erste Revisionen mit horrenden Aufrechnungen, dies vor allem aufgrund formaler Mängel der Belege. Vorsteuern wurden wegen unkorrekten Adressen und anderen kleinen "Versehen" aufgerechnet, oder der Abzug bei gewissen Auslagen ganz einfach verweigert. Die komplizierte Geschichte mit den wiederkehrenden Zahlungen (diesem relativ einfachen Vorgang musste ein eigenes Merkblatt gewidmet werden) haben wir noch bestens in Erinnerung.

Diese sehr formalistische Praxis der Eidg. Steuerverwaltung wurde leider auch von unseren Bundesrichtern geschützt. Aber der Widerstand der Wirtschaft hat sich gelohnt. Der bundesrätliche Bericht "10 Jahre Mehrwertsteuer" führte bereits per 1. Januar 2005 zu einigen Änderungen und die Formvorschriften wurden etwas gelockert. Mit der neuen Mehrwertsteuerverordnung per 1. Juli 2006  ging der Bundesrat noch einen Schritt weiter; der so genannte Pragmatismusartikel fordert die Eidg. Steuerverwaltung explizit auf, keine Steuernachforderungen allein aufgrund von Formmängeln zu erheben.  

Aber was bringt die Einführung des neuen Mehrwertsteuergesetzes per 1. Januar 2010 nun wirklich? Grundsätzlich brauchen Sie für den Vorsteuerabzug immer noch einen Beleg, der den Formvorschriften nach Artikel 26 nMWSTG (bisher Art. 37 MWSTG) entspricht. Können Sie ausnahmsweise keine Rechnung vorweisen, werden aber neu auch andere Beweismittel zugelassen, im Extremfall auch Zeugen, Augenschein etc. Die Beweislast über die Zahlung der Vorsteuer liegt beim Steuerpflichtigen.  In der Praxis wird das Vorweisen einer formell korrekten Rechnung immer noch das einfachste Mittel sein, um einen Vorsteuerabzug zu rechtfertigen. 

Neu zulässige Vorsteuerabzüge

  • Nicht nur die formellen Anforderungen an die Belege werden mit dem neuen Mehrwertsteuergesetz gelockert; neu sind auch bestimmte Vorsteuerabzüge möglich, die den Steuerpflichtigen bisher verweigert wurden.

  • Die 50%-Kürzung des Vorsteuerabzuges auf Verpflegung und Getränken entfällt. Die Eidg. Steuerverwaltung scheint sich langsam der Ansicht anschliessen zu können, dass ein Aufwand entweder im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit entsteht und damit zum Vorsteuerabzug berechtigt oder eben nicht.

  • Auch auf Geschäftsfahrzeugen der Luxusklasse (mehr als 100'000 FrankenAnschaffungspreis) kann die gesamte Vorsteuer geltend gemacht werden. Das wird die Ferrarifahrer unter unseren Lesern freuen. Allerdings ist der abzurechnende reduzierte Privatanteil (0,4% pro Monat) auf Fahrzeuge, für die bei der Anschaffung nicht die volle Vorsteuer geltend gemacht werden konnte, nicht mehr vorgesehen.

  • Holdinggesellschaften mit qualifizierten Beteiligungen (mehr als 10%) können neu Vorsteuern geltend machen. Für eine eventuelle Vorsteuerkürzung wird dabei auf die steuerbare Tätigkeit der Gesellschaft, deren Beteiligung gehalten wird, abgestellt.

  • Die Margenbesteuerung wird durch den fiktiven Vorsteuerabzug ersetzt. Dieser fiktive Vorsteuerabzug kann geltend gemacht werden, wenn der Steuerpflichtige einen gebrauchten, individualisierbaren, beweglichen Gegenstand (z.B. Gebrauchtwagen) ohne Mehrwertsteuerbelastung für den Weiterverkauf bezieht. Der Weiterverkauf ist natürlich steuerpflichtig. Ausserdem muss der fiktive Vorsteuerabzug rückgängig gemacht werden, falls der Gegenstand ins Ausland verkauft wird.

Materielle Prüfung für den Partner

Das neue Mehrwertsteuergesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Eidg. Steuerverwaltung will sich bei Revisionen mehr auf die materielle Prüfung konzentrieren anstatt Formalismus zu pflegen und bezeichnet die Steuerpflichtigen im neuen Sprachgebrauch als „gleichberechtigte Partner“. Ist doch schön, wenn wir unserem Mehrwertsteuerinspektor einen Kaffee anbieten können, ohne gleich Aufrechnungen (50%-Regel, wo steht der Kaffeeautomat, Sitzgelegenheit etc.) befürchten zu müssen.

 

 

.