Diverse Bilanzskandale haben den Ruf nach
Haftung der Verantwortlichen deutlich erklingen lassen. Nicht selten ist
auch die Revisionsstelle in die Kritik geraten. Um so mehr mag deshalb
die geplante Haftungsbegrenzung in der bundesrätlichen Botschaft zum
Gesetzesentwurf zum Aktien- und Rechnungslegungsrecht erstaunen. Im
europäischen Umland ist diese allerdings bereits Tatsache. Dort ist die
Revisionshaftung schon jetzt auf bestimmte – wenn auch hohe – Beträge
limitiert. Es stellt sich also die Frage: Weshalb nicht auch eine
Haftungsbeschränkung in der Schweiz?
Unterschiedliche Aufgaben und Verantwortung
Die Revisionsstelle ist in der Schweiz ein
Gesellschaftsorgan, wie der Verwaltungsrat auch, sie gilt aber als ein
untergeordnetes (subsidiäres) Organ, denn ihre Aufgaben und letztlich
auch ihre Verantwortung sind anders gelagert als diejenigen des
Verwaltungsrates. Die Revisionsstelle erfüllt mehrheitlich
Kontrollaufgaben, d.h. sie kann Fehler aufdecken oder einen verursachten
Schaden allenfalls beschränken, nicht aber die Entstehung des Schadens
grundsätzlich verhindern. Es erscheint also nur gerecht, dass primär die
Geschäftsführungsorgane für Schäden aufkommen,
die sie in ihrer (Un-)Tätigkeit schuldhaft verursacht haben. Nicht
nachvollziehbar wäre, weshalb die Revisionsstelle – wie unter bisherigem
Recht – weiterhin unbeschränkt solidarisch mithaften soll.
Schwächen
bei der Solidarität
Bei unbeschränkter Solidarhaftung kann der
Kläger von einer beliebigen solidarisch haftenden Person den vollen
geschuldeten Betrag ungeachtet der Verschuldensfrage einfordern. Nun
sind in der Regel insbesondere grössere Revisionsunternehmen solventer
als Einzelmitglieder des Verwaltungsrats oder der Geschäftsleitung. Ein
starker Anreiz also, in erster Instanz die Revisionsstelle belangen zu
wollen. Die Schadenssummen können mittlerweile so hoch sein, dass sie
selbst für grosse Revisionsunternehmen existenzbedrohend sind, wie das
Beispiel Arthur Anderson eindrücklich bewiesen hat. Die Revisionsfirma
stellte 2002 ihre Tätigkeit ein, nachdem sie in den Enron-Konkurs
verwickelt wurde. Üblicherweise verfügen Revisionsgesellschaften über
Haftpflichtversicherungen. Kein Problem also – mag sich der Leser
denken. Nur Risikoschutz für Vermögensschäden kostet Geld; viel Geld!
Wer anderseits das Risiko selbst trägt, über dem schwebt das
Damoklesschwert, auch bei verhältnismässig geringem Verschulden voll in
die Haftung genommen zu werden. Diese Situation erschwert insbesondere
kleineren Revisionsgesellschaften die Existenz und bedroht damit
mittelfristig einen funktionsfähigen Markt für
Revisionsdienstleistungen.
Qualitätssicherung als Stolperstein
Mitglieder der Treuhand-Kammer haben sich
schon seit langem freiwillig standesrechtlichen Normen unterstellt. Was
in der Absicht einer standesinternen Qualitätssicherung geschah, kann
sich im Kontext der Verantwortlichkeitsverfahren als Stolperstein
entpuppen. Aufgrund der hohen standesrechtlichen Normdichte dürfte es
allgemein viel einfacher sein, der Revisionsstelle bereits geringe
Verletzungen der Sorgfaltspflicht nachzuweisen. Beim Verwaltungsrat bzw.
der Geschäftleistung dürfte dies erheblich schwerer fallen. Dies kann
nicht die Idee sein.
Verschuldensgerechte Haftung
Ist die geplante gesetzliche Neuregelung
also ein Freibrief für die Revisionsstelle? Mitnichten! Die
Revisionsstelle haftet nach wie vor betragsmässig unbeschränkt, jedoch
nur noch für eigenes Verschulden. Damit geht der Schweizer Gesetzgeber –
im europäischen Vergleich – weiter, indem er bewusst keine absolute
Haftungslimite vorsieht. Gleichzeitig passt er die Haftung der
Verantwortung an. Somit hat die Revisionsstelle noch für den Schaden
einzustehen, den sie zu verantworten hat.
Richtige
Weichenstellung
Mit der geplanten Begrenzung der
Revisionshaftung erhält das Prinzip der verursachergerechten
Verantwortung wieder seine Bedeutung zurück. Leider stand in den letzten
Jahren immer mehr die Zahlungsfähigkeit und nicht die Verschuldensfrage
bei Klagen im Vordergrund. Mit seiner Botschaft zur Änderung des
Obligationenrechts hat der Bundesrat die richtigen Signale ausgesandt
und damit die Bedeutung einer guten und ganzheitlichen Führung
(Corporate Governance) bewusst betont. Bleibt abzuwarten, wie die
Gerichtspraxis diese Änderung in der Rechtsprechung aufnimmt.
|