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Mehrwertsteuer

Yvonne Barcellona

Mehrwertsteuer-Beraterin,
Partnerin
Alltax AG
Treuhandgesellschaft,

Basel

 

E-Mail: yvonne.barcellona@alltax.ch

 

 

    

  Änderungen in der Mehrwertsteuer-Praxis

Erste Schritte in die richtige Richtung
 

 
 

Auf Jahresbeginn wurden eine Reihe von Praxisänderungen bei der Mehrwertsteuer eingeführt. Sie betreffen Kleinigkeiten wie die Coupons von Registrierkassen aber auch grössere Brocken wie das Erstellen und Erstellenlassen von Bauwerken oder den Vorsteuerabzug bei Firmengründung. Von der idealen Steuer sind wir aber noch ein gutes Stück entfernt.

 
 
 

Hurra-Rufe wären zwar übertrieben, dennoch: der Bericht „10 Jahre Mehrwertsteuer“ und die auf den 1. Januar 2005 erfolgten Praxisänderungen zeigen in die richtige Richtung. Der ausführliche bundesrätliche Bericht umfasst 130 Seiten und beleuchtet nicht nur Probleme und Mängel des Mehrwertsteuer-Gesetztes (MWSTG), es werden auch radikale Änderungen ins Auge gefasst. Eine „ideale Mehrwertsteuer“ ohne Steuerausnahmen und mit einem Einheitssatz, wie sie im Bericht beschrieben wird, ist aber noch in weiter Ferne. Dafür wäre eine Totalrevision des MWST-Gesetzes notwendig, die voraussichtlich auf einigen politischen Widerstand treffen würde.

 

Die Spezialbroschüre mit den Praxisänderungen wurde den Steuerpflichtigen, die gemäss neuer Sprachregelung der Eidg. Steuerverwaltung „Partner“ heissen (hoffentlich werden wir bei der nächsten Revision auch so behandelt), mit der Abrechnung 4. Quartal 2004 zugestellt. Sie stellt die Neuerungen in einer Reihe von Bereichen vor.

 

Rechnungsstellung

Coupons von Registrierkassen ohne Namen und Adresse des Leistungsempfängers berechtigen neu bis zu einer Limite von   400 Franken zum Vorsteuer-Abzug (bisher 200 Franken). Sie dürfen also Ihre Kunden wieder in teurere Restaurants einladen ohne nachher von Ihrem Buchhalter genervt zu werden, weil Sie keinen MWST-konformen Beleg besitzen.

 

Auf Rechnungen ist der Vorsteuer-Abzug neu auch zulässig, wenn die Rechnungsadresse falsch ist. Hier werden die Formvorschriften weiter gelockert, was die Risiken einer MWST-Aufrechnung wegen Formmängeln verringert.

 

Baugewerblicher Eigenverbrauch

Gemäss Art. 9 Abs.  MWSTG ist das Erstellen bzw. Erstellenlassen von Bauwerken für von der Steuer ausgenommene oder private Zwecke im Eigenverbrauch zu versteuern. Bisher wurde von einer Besteuerung abgesehen, wenn vier Bedingungen kumulativ erfüllt waren. Eine dieser Bedingungen „die Geschäftstätigkeit darf nicht das Planen, Erstellen usw. von Bauwerken als Haupt- oder Nebentätigkeit zum Zwecke haben“ fällt nun weg. Folgende Voraussetzungen müssen aber weiterhin kumulativ erfüllt sein:

  • Sämtliche Leistungen werden durch Dritte erbracht.

  • Es besteht keine Bereitschaft, für fremde Rechnung an Bauwerken Arbeiten vorzunehmen.

  • Es werden vom Bauherrn weder Materialien noch Infrastruktur für den Bau zur Verfügung gestellt.

Insbesondere bei Pensionskassen, Versicherungen, gewissen Konsortien etc. wird durch diese Massnahme die Steuerpflicht wegfallen.

 

Die Bemessungsgrundlage beim baugewerblichen Eigenverbrauch ändert sich ebenfalls. Nicht mehr in die Anlagekosten mit einzubeziehen sind:

  • Fremd- und Eigenkapitalzinsen

  • Bewilligungen, Gebühren und Versicherungen

  • Anschlussgebühren

  • Ersatzabgaben an Gemeinwesen

  • Schätzungskosten

Diese Änderungen beim baugewerblichen Eigenverbrauch bringen den Steuerpflichtigen das weitaus grösste „Steuergeschenk“, ca. 10 Mio. Franken jährlich. Damit Sie an diesen 10 Mio. Franken partizipieren können, müssen bereits vor Baubeginn gewisse Überlegungen angestellt werden.

 

Soll für fremde oder für eigene Rechnung gebaut werden? Ein Bauwerk gilt als für fremde Rechnung erstellt, wenn vor Baubeginn rechtsgültige Kauf-, Vor- oder Werkverträge für das ganze Bauwerk, z.B. alle Wohnungen einer Liegenschaft im Stockwerkeigentum, vorliegen. Bauen Sie für fremde Rechnung, ist die Mehrwertsteuer auf dem Verkaufspreis ohne Wert des Bodens geschuldet. Sämtliche MWST-belasteten Aufwendungen können als Vorsteuer geltend gemacht werden. Bauen Sie für eigene Rechnung, sind nur Bauarbeiten durch Dritte sowie Eigenleistungen im Eigenverbrauch abzurechnen, natürlich mit Vorsteuer-Abzugsrecht auf Drittleistungen. Gebühren, Bewilligungen, Versicherungen, Zinsen und ein allfälliger Gewinnzuschlag, die im Verkaufspreis enthalten sind, müssen nicht versteuert werden. Bauen für eigene Rechnung wird somit massiv günstiger. Diese Überlegungen sollten bei der Planung nicht vergessen werden.

 

Vorsteuerabzug bei Firmengründungen

Neu ist der Vorsteuerabzug auf Gründungskosten, vorgängigen Marktanalysen, Kosten im Zusammenhang mit Kapitalbeschaffungen sowie Sanierungs- und Liquidationskosten zugelassen. Rechnungen, die Sie vor der Firmengründung erhalten, berechtigen zum Vorsteuerabzug, sofern sie auf einen der Gesellschafter oder auf „X AG in Gründung“ lauten. Auch diese Praxisänderung wird der Eidg. Steuerverwaltung Mindereinnahmen von mehreren Millionen Franken bescheren.

 

Alle erwähnten Praxisänderungen traten am 1.1.2005 in Kraft. Bereits laufende Rechtsmittelverfahren (Bestreitung oder Einsprache) werden ebenfalls nach neuer Praxis beurteilt (ausser Limite Kassenzettel). Allfällige noch nicht oder nur unter Vorbehalt bezahlte Ergänzungsabrechnungen, die diese Praxisänderungen betreffen,  werden demnach wieder gutgeschrieben und Einsprachen gutgeheissen. Bei Revisionen wird nur noch die neue Praxis angewandt, auch für Perioden vor dem 1.Januar 2005. Die Steuerverwaltung wird darauf achten, dass dieses „Entgegenkommen“ nicht ausgenutzt wird.

 

Abschliessend können wir wiederholen, die Änderungen per 1. Januar 2005 sind ein erster Schritt in die richtige Richtung. Wirkliche Erleichterung und eine grössere Rechtssicherheit, die bei einer Selbstveranlagungssteuer unbedingt gewährleistet werden müssen, ist wohl nur mit einer Totalrevision des Mehrwertsteuergesetzes möglich. Lassen wir die „ideale Mehrwertsteuer“ nicht aus den Augen!