Hurra-Rufe wären zwar
übertrieben, dennoch: der
Bericht „10 Jahre Mehrwertsteuer“ und die auf
den 1. Januar 2005 erfolgten
Praxisänderungen zeigen in die richtige
Richtung. Der ausführliche bundesrätliche Bericht umfasst 130 Seiten und
beleuchtet nicht nur Probleme und Mängel des Mehrwertsteuer-Gesetztes (MWSTG),
es werden auch radikale Änderungen ins Auge gefasst. Eine „ideale
Mehrwertsteuer“ ohne Steuerausnahmen und mit einem Einheitssatz, wie sie
im Bericht beschrieben wird, ist aber noch in weiter Ferne. Dafür wäre
eine Totalrevision des MWST-Gesetzes notwendig, die voraussichtlich auf
einigen politischen Widerstand treffen würde.
Die Spezialbroschüre
mit den Praxisänderungen wurde den Steuerpflichtigen, die gemäss neuer
Sprachregelung der Eidg. Steuerverwaltung „Partner“ heissen (hoffentlich
werden wir bei der nächsten Revision auch so behandelt), mit der
Abrechnung 4. Quartal 2004 zugestellt. Sie stellt die Neuerungen in
einer Reihe von Bereichen vor.
Rechnungsstellung
Coupons von
Registrierkassen ohne Namen und Adresse des Leistungsempfängers
berechtigen neu bis zu einer Limite von 400 Franken zum
Vorsteuer-Abzug (bisher 200 Franken). Sie dürfen also Ihre Kunden wieder
in teurere Restaurants einladen ohne nachher von Ihrem Buchhalter
genervt zu werden, weil Sie keinen MWST-konformen Beleg besitzen.
Auf Rechnungen ist der
Vorsteuer-Abzug neu auch zulässig, wenn die Rechnungsadresse falsch ist.
Hier werden die Formvorschriften weiter gelockert, was die Risiken einer
MWST-Aufrechnung wegen Formmängeln verringert.
Baugewerblicher Eigenverbrauch
Gemäss Art. 9 Abs.
MWSTG ist das Erstellen bzw. Erstellenlassen von Bauwerken für von der
Steuer ausgenommene oder private Zwecke im Eigenverbrauch zu versteuern.
Bisher wurde von einer Besteuerung abgesehen, wenn vier Bedingungen
kumulativ erfüllt waren. Eine dieser Bedingungen „die Geschäftstätigkeit
darf nicht das Planen, Erstellen usw. von Bauwerken als Haupt- oder
Nebentätigkeit zum Zwecke haben“ fällt nun weg. Folgende Voraussetzungen
müssen aber weiterhin kumulativ erfüllt sein:
-
Sämtliche Leistungen
werden durch Dritte erbracht.
-
Es besteht keine
Bereitschaft, für fremde Rechnung an Bauwerken Arbeiten vorzunehmen.
-
Es werden vom
Bauherrn weder Materialien noch Infrastruktur für den Bau zur
Verfügung gestellt.
Insbesondere bei
Pensionskassen, Versicherungen, gewissen Konsortien etc. wird durch
diese Massnahme die Steuerpflicht wegfallen.
Die
Bemessungsgrundlage beim baugewerblichen Eigenverbrauch ändert sich
ebenfalls. Nicht mehr in die Anlagekosten mit einzubeziehen sind:
-
Fremd-
und Eigenkapitalzinsen
-
Bewilligungen,
Gebühren und Versicherungen
-
Anschlussgebühren
-
Ersatzabgaben an
Gemeinwesen
-
Schätzungskosten
Diese Änderungen beim
baugewerblichen Eigenverbrauch bringen den Steuerpflichtigen das weitaus
grösste „Steuergeschenk“, ca. 10 Mio. Franken jährlich. Damit Sie an
diesen 10 Mio. Franken partizipieren können, müssen bereits vor
Baubeginn gewisse Überlegungen angestellt werden.
Soll für fremde oder
für eigene Rechnung gebaut werden? Ein Bauwerk gilt als für fremde
Rechnung erstellt, wenn vor Baubeginn rechtsgültige Kauf-, Vor- oder
Werkverträge für das ganze Bauwerk, z.B. alle Wohnungen einer
Liegenschaft im Stockwerkeigentum, vorliegen. Bauen Sie für fremde
Rechnung, ist die Mehrwertsteuer auf dem Verkaufspreis ohne Wert des
Bodens geschuldet. Sämtliche MWST-belasteten Aufwendungen können als
Vorsteuer geltend gemacht werden. Bauen Sie für eigene Rechnung, sind
nur Bauarbeiten durch Dritte sowie Eigenleistungen im Eigenverbrauch
abzurechnen, natürlich mit Vorsteuer-Abzugsrecht auf Drittleistungen.
Gebühren, Bewilligungen, Versicherungen, Zinsen und ein allfälliger
Gewinnzuschlag, die im Verkaufspreis enthalten sind, müssen nicht
versteuert werden. Bauen für eigene Rechnung wird somit massiv
günstiger. Diese Überlegungen sollten bei der Planung nicht vergessen
werden.
Vorsteuerabzug bei Firmengründungen
Neu ist der
Vorsteuerabzug auf Gründungskosten, vorgängigen Marktanalysen, Kosten im
Zusammenhang mit Kapitalbeschaffungen sowie Sanierungs- und
Liquidationskosten zugelassen. Rechnungen, die Sie vor der
Firmengründung erhalten, berechtigen zum Vorsteuerabzug, sofern sie auf
einen der Gesellschafter oder auf „X AG in Gründung“ lauten. Auch diese
Praxisänderung wird der Eidg. Steuerverwaltung Mindereinnahmen von
mehreren Millionen Franken bescheren.
Alle erwähnten
Praxisänderungen traten am 1.1.2005 in Kraft. Bereits laufende
Rechtsmittelverfahren (Bestreitung oder Einsprache) werden ebenfalls
nach neuer Praxis beurteilt (ausser Limite Kassenzettel). Allfällige
noch nicht oder nur unter Vorbehalt bezahlte Ergänzungsabrechnungen, die
diese Praxisänderungen betreffen, werden demnach wieder gutgeschrieben
und Einsprachen gutgeheissen. Bei Revisionen wird nur noch die neue
Praxis angewandt, auch für Perioden vor dem 1.Januar 2005. Die
Steuerverwaltung wird darauf achten, dass dieses „Entgegenkommen“ nicht
ausgenutzt wird.
Abschliessend können
wir wiederholen, die Änderungen per 1. Januar 2005 sind ein erster
Schritt in die richtige Richtung. Wirkliche Erleichterung und eine
grössere Rechtssicherheit, die bei einer Selbstveranlagungssteuer
unbedingt gewährleistet werden müssen, ist wohl nur mit einer
Totalrevision des Mehrwertsteuergesetzes möglich. Lassen wir die „ideale
Mehrwertsteuer“ nicht aus den Augen! |